CinErotikon. Materialien zum 12. Internationalen Filmhistorischen Kongreß, Hamburg, 4. - 7. November 1999.

Herrn Dr. Curt Thomalla, Berlin

Prof. Dr. Adam

In: Dr. Curt Thomalla: Falsche Scham. Berlin: Ufa-Filmbücherei 1926, (Kultur-Bücherei Nr. 1), S. 5-7.

Sehr geehrter Herr Kollege!

Mit aufrichtiger Freude habe ich von dem außergewöhnlich starken Erfolg Kenntnis erhalten, den Ihr letzter hygienischer Aufklärungsfilm »Falsche Scham« bei seiner Uraufführung von dem Publikum und bei der Presse fand. Ich bin dadurch in meiner Überzeugung noch bestärkt worden, daß die Verquickung eines so ernsten und heiklen Themas, wie es das Gebiet der Geschlechtskrankheiten nun einmal ist und bleibt, mit seiner unterhaltenden, ja sogar spannenden Spielhandlung nicht nur möglich, sondern der einzig richtige Weg ist. Auf diese Weise werden wir mit dieser packenden und aufrüttelnden Aufklärung Millionen von Kinobesuchern erfassen, die sonst nie in belehrende Vorträge zu bringen wären.

Ich freue mich ganz besonders, daß ich mit meinem Urteil nicht etwa allein dastehe. Nachdem die Reichszensur bei der Filmprüfstelle den Film erfreulicherweise schon in erster Instanz rückhaltlos für öffentliche Vorführungen, sogar vor Jugendlichen, freigegeben hatte, hat jetzt auch die aus Ärzten und Laien, besonders auch Pädagogen und Geistlichen bestehende Filmkommission des Reichsausschusses für hygienische Volksbelehrung, folgendes Urteil gefällt: »Der beste Aufklärungsfilm, der bisher gezeigt wurde. In Verbindung mit einer Spielhandlung neben glänzender medizinischer Darstellung berührt besonders angenehm der soziale und menschenfreundliche Einschlag in Darstellung und Handlung. Die innerlich ergreifende Handlung wirkt packend und läuternd und hält den Zuschauer bis zum Schlusse in Spannung.«

Nur eine Befürchtung habe ich bei diesem wie bei jedem Film: Daß nämlich die Eindrücke nicht nachhaltig und lange genug wirken. Ich gebe Ihnen daher folgende Anregung. Aus den zahlreichen vorzüglichen Bildern läßt sich doch zweifellos ein ungeheuer eindrucksvoller und das ganze Gebiet erschöpfender Bilderatlas über das Thema der Geschlechtskrankheiten herstellen. Gerade die so ungemein leichtfaßliche und populäre Gestaltung der Filmbilder wäre auch für ein solches Volksbuch über die Geschlechtskrankheiten von gewaltigem Wert. Wenn Sie dazu noch einige Bilder aus der Spielhandlung der einzelnen Episoden einfügen und das Ganze durch einen nicht aufdringlich belehrenden, sondern unterhaltenden und leicht einführenden Text verbinden, so würde meines Erachtens ein Werk entstehen, das im Zusammenhang mit dem Film und weit über seine Lebensdauer hinaus den Interessen unserer hygienischen Volksaufklärung die wertvollsten Dienste leisten müßte.
Ein solches Buch würde nach meinem Dafürhalten in jede Volks- und Schülerbibliothek, in die Hand jedes Abiturienten, Fortbildungsschülers, überhaupt jedes jungen Menschen beiderlei Geschlechts, nicht zuletzt auch in die Hände verantwortungsbewußter Eltern gehören.

Für ein solches Buch würde noch in weit erhöhtem Maße zutreffen, was große Berliner Zeitungen über den Film schreiben: »Dieser Film ist ein Geschenk an die Menschheit!« und: »Man sollte diesen Lebensfilm bis in die fernsten Winkel des Landes tragen -, und keiner, kein Junge vor allem, sollte achtlos an ihm vorübergehen.«

Ich hoffe, daß es Ihnen gelingt, diese Anregung in die Tat umzusetzen. Der Verlag, der ein solches Werk herausbringt, müßte meines Erachtens der tatkräftigen Förderung durch alle Behörden und Organisationen, die an der Gesundung unseres Volkes arbeiten, ganz besonders auch der Lehrer und Erzieher, der Väter und Mütter, sicher sein.

Mit besten Wünschen für das Gelingen

Hochachtungsvoll
gez. Prof. Dr. Adam
Direktor des Kaiserin-Friedrich-Hauses
Generalsekretär des Reichsausschusses für hygienische Volksaufklärung


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