CineGraph - Lexikon zum deutschsprachigen Film

Vorweg

riverrun

CineGraph treibt Archäologie: Viele - die meisten der hier aufgeführten Filme sind vergessen, verschollen, verloren. Kein heute Lebender hat sie je gesehen.

CineGraph ist aktuelle Berichterstattung;: Einige der hier aufgeführten Filme sind noch in Produktion. Niemand hat sie bislang gesehen.

CineGraph ist kein Buch: Es ist eine Informationsmaschine. Sie ist stets in Bewegung. Wenn der Leser es in Händen hält, ist es eigentlich schon wieder veraltet, der Informationsstand der Redaktion ist weiter, strebt der nächsten Lieferung zu.

CineGraph ist kein Buch: Es ist eine Momentaufnahme aus einem Informationsfluß, ein Bildkader aus einem Dokumentations-Film, auf den der nächste Bildkader folgt, dem ersten ähnlich, ein wenig fortgeschritten in der Entwicklung.

CineGraph ist technisch fortschrittlicher als die meisten noch üblichen Lexika: Die Loseblatt-Form macht eine ständige Erneuerung möglich.

CineGraph ist technisch veraltet: Es setzt computerisierte Informationen in ein Medium des späten Mittelalters um, fixiert weiterstrebendes fortschreitendes Wissen auf einen Punkt, auf die vielen Rasterpunkte der Laser-Schrift.

Jetzt, da das Ende der Kino-Film-Kunst absehbar geworden ist, das industrielle und ökonomische Interesse an ihr zurückgeht, besteht vielleicht gerade noch die Chance, archäologisch-historisch vorgehend, die kurze heftige Geschichte dieser Zwischenkunst zu erfassen und aufzuarbeiten.

Während die wenigen, so miserabel finanzierten Institutionen - stellvertretend seien die drei deutschen FIAF-Archive genannt - alles ihnen (noch) mögliche daran setzen, Erreichbares, noch Erhaltenes zusammenzuraffen, vor dem Verlust zu schützen und zu konservieren, findet eine annähernd wissenschaftliche Aufarbeitung und Erforschung nicht statt - es sei denn im Dunstkreis genannter Institutionen ergibt sich alle Jahre wieder der Anlaß einer mehr oder weniger hektisch erarbeiteten Retrospektive.

Während andere Geisteswissenschaften - beispielsweise die Literaturwissenschaft - in Jahrzehnten und Jahrhunderten Grundlagenforschung getrieben haben: Bibliografien, Biografien, Epochendarstellungen, Motivforschung - verläßliche Materialien, auf denen aufzubauen ist, die weiterentwickelbar und ergänzbar sind, ist jede filmhistorische Arbeit Bemühen von Position Null, ein Hantieren mit vielen Unbekannten.

Welche Handbücher kann man schon unüberprüft benutzen? Der »Lamprecht«, ein Standardwerk, für viele erstes und für zu viele auch leider letztes ausgewertetes Handbuch, erweist sich bei intensiver Benutzung eher als erstes Annähern und Festhalten von Fakten. Epochenweise ähnelt er vielmehr einem schweizer Käse als einer deutschen Hartwurst.

Die Struktur des CineGraph speist sich aus verschiedenen Quellen. Anfang der 70er Jahre entwickelte ich mit einigen Kollegen, in Verbindung mit der Stiftung Deutsche Kinemathek, das Projekt einer »Geschichte des Films in Deutschland«. Die Verwirklichung scheiterte (bislang) an fehlender finanzieller Unterstützung und nicht zuletzt an der Angst der Filmhistoriker vor dem empirischen Vakuum, das sich vor ihnen auftat. Ein Punkt des Konzepts dieser Geschichte war die Auslagerung bio-filmografischer Fakten in einen Lexikonteil, um so die thematische und historische Darstellung nicht durch biografische Zufälligkeiten aufbrechen zu müssen.

Wie sich aus der jetzigen Grundstruktur des CineGraph - mit von Autoren gezeichneten Essays und den redaktionell erarbeiteten ausführlichen Datenteilen - ergibt, stehen hier subjektive Interpretationen neben dem Hauptkorpus der Fakten. Bewußt ist dabei die Analyse zunächst etwas in den Hintergrund getreten, denn uns erschien beim gegenwärtigen Zustand der Filmwissenschaft eine streng empirisch vorgehende Materialsammlung wichtiger, die auch als Angebot an andere gedacht ist, weiterzuforschen, Anstöße zur Kooperation zu geben. Aus den Erfahrungen mit der eigenen Arbeit und den laufenden Kontakten mit Kollegen während der Entwicklung des CineGraph sind wir gefeit gegen die Hybris der Unfehlbarkeit. Wir selbst kennen unsere Lücken am besten und versuchen sie such nicht zu verdecken. CineGraph ist ein Angebot, es gibt Material an die Hand. Damit erhoffen und erwarten wir auch Korrekturen und Ergänzungen durch die Benutzer - denn gerade das liegt ja im System der Loseblatt-Sammlung als besonderer Vorzug.

Auf eine absolute Standardisierung wurde (nach diversen Versuchen) verzichtet. Wir haben uns bei der Arbeit Regeln gesetzt (man findet sie in den Erläuterungen zur Benutzung). Wir hielten uns an sie, soweit es ging. Wir übertraten sie zögernd, doch bewußt, wo es sich anbot, wo es der Information diente, ohne die Klarheit des Ganzen zu beeinträchtigen. Absolute Standardisierung kann nur dort eingeführt werden, wo alles klar ist - oder wo Unklarheit überdeckt werden soll.

Wir versuchen neue Wege zu beschreiten - technisch, vielleicht auch informativ - wir mögen bisweilen irren, doch nur so kommt man weiter.

Hans-Michael Bock, 1984


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