Reihe CineGraph Buch

Malte Hagener / Jan Hans (Hg.)
Als die Filme singen lernten. Innovation und Tradition im Musikfilm, 1928-1938



MUSIKFILM UND MODERNISIERUNG





Malte Hagener / Jan Hans

Pola Illéry in SOUS LES TOITS DE PARIS (René Clair, 1930)

»Kaum war der Tonfilm da, so siegte der Bluff über die Qualität [...]. Die breite Landstraße der Filmkunst, deren schönes Endziel sich schon immer deutlicher in der Ferne abzeichnete, wurde wegen technischer Renovierungsarbeiten gesperrt und auf einem holprigen Feldweg umgeleitet.«1

Rudolf Arnheim stand 1930 keineswegs allein mit diesem kulturpessimistischen Reflex, der offen einen technologischen Konservatismus zur Schau stellt. Mit diesem und anderen Artikeln - u.a. jenem mit dem programmatischen Titel »Stumme Schönheit und tönender Unfug« - führte er die Phalanx der damaligen Großkritiker an, die im aufkommenden Tonfilm nur das Zerstören einer Kunst sehen konnten, die gerade ihrem Gipfelpunkt zustrebte.2 Selbst aus der retrospektiven Sicht der 40er Jahre kommt Kracauer, der wie kein anderer die Interpretation dieser Epoche bestimmt hat, zu einem ähnlichen Ergebnis: »Film-makers all over the world soon emphasized dialogue to such an extent that the visual track tended to degenerate into a mere accompaniment. [...W]hen dialogue took over, unfathomable imagery withered and intentional meanings prevailed«.3
Wie in jedem guten Szenario gibt es auch hier einen Schurken, der für alles Übel verantwortlich ist: die Industrie - der schnöde Mammon siegt über die hehre Kunst. Oder, wie Arnheim es in eine mytho-poetische Metapher faßt: »Das Schutzpatronat der Bildkunst ist vom heiligen Lukas zum Elektrokonzern hinübergewechselt«.4 Neben der ästhetischen Teleologie, die den Stummfilm kurz vor seiner Perfektion sah (»das schöne Endziel«), worin immer diese auch bestehen sollte, steckt in dieser Haltung eine große Naivität, denn der Stummfilm war nicht weniger durch ökonomische Vorgaben bedingt als der Tonfilm. Die wirtschaftlichen Kontrollkämpfe traten jetzt deutlicher zutage als zuvor, doch der kapitalistische Wettbewerb betrat nicht erst mit dem Tonfilm die Bühne der Filmkunst.
Durch die unkritische Übernahme der Perspektive der damaligen Kultur-Koryphäen hat sich die Filmgeschichtsschreibung zwei weitere Probleme eingehandelt, die sich retrospektiv als nachhaltiger und schwerer wiegend erwiesen: den automatischen Bezug der Filme auf den Machtantritt der Nationalsozialisten, den wir Kracauer-Reflex nennen können, und die Fixierung dieses Datums als undurchlässige Epochengrenze.5 Im Anschluß an Kracauers epochemachende Darstellung »From Caligari to Hitler« wurde das Kino der Weimarer Republik nur selten anders gelesen, als auf seinen bei Kracauer zwingend-logischen Schlußpunkt 1933 hin. In Verbindung mit der Kunst-vs.-Industrie-Haltung ergibt sich so ein beinahe unschlagbares Deutungsmuster, das seitdem unbefragt perpetuiert wird: Da die Filmindustrie, die gegen die stumme Kunst den tönenden Unfug durchgesetzt hatte (und Industrie ist bekanntlich immer ein Feind der Kunst), zu großen Teilen den konservativ-nationalistischen und anti-demokratischen Cliquen angehörte und somit Hitler politisch nahestand, wurde nicht nur einer aufstrebenden Ausdrucksform der Garaus gemacht, sondern auch der Aufstieg der Nationalsozialisten zur Macht vorweggenommen. Dies zeigt sich nicht nur in der wirtschaftlichen Übernahme, sondern auch in der ästhetischen Verharmlosung, die ein politisch vorgebildetes Publikum systematisch mit stumpfsinniger Unterhaltung entpolitisierte.
Solche Haltungen und Modellvorstellungen, die nur vorher festgelegte Ergebnisse hervorbringen, werden in diesem Band problematisiert und mit alternativen Ansätzen konfrontiert.

Das Cabinet des Dr. Larifari: Kritiker, Kanon und Spektakel

Die Großkritiker haben es gespürt: Mit der Einführung des Tonfilms bricht ein wichtiges Stück im bis dahin herrschenden kulturellen Repräsentationssystem weg. Die Folgen reichen weit über den engeren Bereich der Filmkunst hinaus. Der Ton ist dabei nur das Symptom, an dem sich die Kulturkritiker schadlos halten, für viel grundlegendere Verschiebungen im kulturellen Leben, die sie zwar noch nicht beschreiben können, deren Auswirkungen sie aber täglich zu spüren bekommen. Der kulturelle Umbildungsprozeß, der bei der Einführung des Tons bereits weitgehend abgeschlossen ist, für sie aber erst dort greifbar wird, schafft zwar Unübersichtlichkeiten und führt mancherorts zu erheblichen Irritationen, keinesfalls aber zur Katastrophe. Und wie immer, wenn klassisch gewordene Systeme zerfallen, stellt dieser Prozeß auch ein Stück Befreiung dar und eröffnet neue Möglichkeiten. Die Karten werden neu gemischt.
Die Einführung des Tonfilms ist bislang gemeinhin als eine Geschichte der Technikentwicklung und der Patentauseinandersetzungen beschrieben worden.6 Sofern in solchen Darstellungen überhaupt von den ökonomischen Veränderungen auf die ästhetischen Folgen geschlossen wird, geschieht dies in der Regel einschrittig: Der industrielle Komplex hat ein weiteres Segment autonomer Kunst ökonomisch vernichtet und ist seinem Ziel, die gesamte Welt warenförmig zu machen, wieder ein Stück näher gekommen. Und wird mit derselben Einschrittigkeit dann auch noch das Feld der Politik einbezogen, ergibt sich der Kracauer-Reflex.
In den Beiträgen dieses Bandes scheint eine andere Einschätzung dieser filmhistorischen Epoche auf. Bislang hatte man aus der Spätzeit der Weimarer Republik lediglich eine Handvoll Filme als Klassiker anerkannt, die trotz und gegen die politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ihren Status erreichen: Filme von Lang (M, 1930/31; Das Testament des Dr. Mabuse, 1932/33), Pabst (Westfront 1918, 1930; Die 3-Groschen-Oper, 1930/31; Kameradschaft, 1931), Siodmak (Abschied, 1930) und Ophüls (Liebelei, 1932/33). Neben diesen Klassikern, die über die Statuten der Autorentheorie ihren Machern auch entgegen widriger Produktionsbedingungen einen transzendental-schöpferischen Geist zuerkennen, gibt es eine zweite Gruppe anerkannter Filme, die aus einem dezidiert politisch linksgerichteten Anspruch heraus formuliert sind und somit nicht den Beschränkungen der Ufa-Produktion unterliegen: Mutter Krausens Fahrt ins Glück (1929), Lohnbuchhalter Kremke (1930), Cyankali (1930), Mädchen in Uniform (1931), Niemandsland (1931), Kuhle Wampe (1931/32).
Zu diesem Kanon gesellt sich mit diesem Band eine weitere Gruppe von zusammengehörigen Filmen, die in der Zeit von 1930 bis 1936 entstehen, also gerade nicht an der magischen Datumsgrenze abbrechen: Liebeswalzer (1929/30), Die Drei von der Tankstelle (1930), Einbrecher (1930), Ihre Majestät die Liebe (1930), Das Lied ist aus (1930), Die singende Stadt (1930), Nie wieder Liebe (1931), Der Kongreß tanzt (1931), Ein blonder Traum (1932), Ich bei Tag und Du bei Nacht (1932), Das Lied einer Nacht (1932), Ich und die Kaiserin (1932/33), Walzerkrieg (1933), Viktor und Viktoria (1933), Amphitryon (1935), Glückskinder (1936), Schlußakkord (1936). Die Merkmale dieses Kanons untersucht Thomas Elsaesser in diesem Band exemplarisch an den Filmen, zu denen Walter Reisch das Drehbuch geschrieben hat.
Doch wie soll man das Phänomen nennen, das jenseits dieses retrospektiv mithilfe der Autorentheorie und Ideologiekritik gebildeten Kanons in den Studios als schnell heruntergedrehte Ware entsteht? Die zeitgenössische Diskussion unterscheidet zwischen Ton-, Sprech- und Geräuschfilm, und bietet zur Ausdifferenzierung des Genres Musikfilm weitere Subklassifikationen an. Daniela Sannwalds Beitrag bietet u.a. eine Darstellung der zeitgenössischen Diskussion. Die Vielzahl der konkurrierenden Begriffe ist Ausdruck der Begriffslosigkeit. Sie zeugt von der Unsicherheit der einem anderen Kunstbegriff verschriebenen professionellen Kritik gegenüber dem neuen Phänomen. Die genreinteressierte Filmwissenschaft hat solche Ansätze übernommen, um post festum danach zu fragen, in welcher Form diese Filme zur Ausbuchstabierung der Genres beigetragen haben. Das mag filmhistorisch interessant sein - vor den Gegenständen, die von Genredefinitionen unbekümmert sind, versagen sie.
Diese Genre-Mixturen scheren sich nämlich nicht um Regeln, im Gegenteil: Sie entwickeln einen ausgesprochenen Ehrgeiz in ihrer eigenen Hybridisierung.7 Die Filme haben den Reiz des Sowohl-als-auch, des Nicht-mehr-aber-noch-nicht und verfolgen dieses Programm nicht aus Unentschiedenheit, sondern vorsätzlich. Die Beliebtheit der Nummernstruktur - von Paramount on Parade in sieben Sprachversionen und M-G-Ms Broadway Melody über BIPs Elstree Calling bis zu Die große Sehnsucht, der noch innerhalb einer »Star Is Born«-Geschichte die Prominenten-Auftritte und Sketche in einen größeren Sinnzusammenhang stellen will, oder Wir schalten um auf Hollywood, der als Quickie schon fast wieder diese Struktur parodiert - zeigt deutlich, daß nur Stars und Musik ohne ein narratives Netz für ein zeitgenössisches Publikum Anreiz genug zum Kinobesuch boten. Eine durchgehende Erzählhandlung bleibt dabei auf der Strecke, die Attraktion liegt im Spektakel einzelner Nummern.
Dem Begriff des Spektakels verdankt die Filmgeschichtsschreibung der letzten zwei Jahrzehnte entscheidende Impulse, insofern er die These von der Überlegenheit des narrativen Films erheblich relativiert. Typologisch steht dabei Spektakel für das Aufsehenerregende, das nicht mit einem Vorher und/oder Nachher verbunden ist; für das Ereignis, das einfach »ist«. Narration steht demgegenüber für den Versuch, das Isoliert-Bedrohliche in einen Sinnzusammenhang einzugliedern, der durch Kontinuität und Identität gekennzeichnet ist. In der Narrativierung wird mit der Hilfe von Fabeln/Plots eine ungeordnete, widersprüchliche Wirklichkeit zu Einheitlichkeit stilisiert und in Sinnkategorien gefüllt. In Geschichten wird Geschichte um ihren diskontinuierlichen Charakter gebracht.
Diesem Ansatz 8 verdanken wir Nachweise, daß die Geschichte des Mainstream-Kinos gerade durch die Art und Weise bestimmt wird, in der die beiden Elemente Spektakel und Narration gewichtet und miteinander kombiniert werden. Das frühe Kino - allein aufgrund seiner technischen Apparatur bereits eine Attraktion - war dem Spektakel zugeneigt und hat unter diesen Vorzeichen eine Filmform ausgebildet, die u.a. durch einen spezifischen Gestus des Präsentierens und ein exhibitionistisches Verhältnis zum Zuschauer gekennzeichnet ist - vergleichbare Strukturen finden wir im Musikfilm der späten Weimarer Republik.
Man ist bislang von einem ununterbrochenen Siegeszug des Erzählkinos ausgegangen und hat die Einführung des Tons als Beschleuniger der Entwicklungstendenz in Richtung auf einen Realismuseindruck gewertet. Genau das trifft jedoch für unseren Filmkorpus nicht zu. Offenkundig handelt es sich um eine Periode der Filmgeschichte, in der das dem Spektakel zugeneigte Vorzeigen und Ausstellen der technischen Gegebenheiten stärker in den Blick gerieten. Es ist eine Periode, die als Beleg gelten kann, daß die Einführung des Tons nicht notwendigerweise zu größerem Realismus führen muß.
Der erneute Blick auf den Weimarer Musikfilm läßt uns mit Staunen erkennen, daß es dort schon fast alle Elemente gibt, die wir bislang dem postklassischen Mainstream-Kino zugeschrieben haben: Dieses Kino setzt weniger auf das geschlossene Subjekt, auf die psychologische Motivation und Generierung von Sinn in narrativen Strukturen, sondern auf episodische Highlights und Action - vor allem aber auf ein vorwissendes Publikum, das die Strategien der Genres und seine Erzählmuster kennt, das den Einfallsreichtum beim Einhalten und Brechen der Gesetze des Genres goutiert und einen Teil seiner Freude am Kino aus der Vorhersehbarkeit des Geschehens zieht. Diese Tendenz wird freilich erst sichtbar, wenn man die disparaten Elemente der Zeit nicht im Modell der Kulturapokalypse oder des Endes der Weimarer Republik, sondern - wie dies Leonardo Quaresima tut - als Modernisierung liest.


Wir schalten um auf Hollywood: Modernisierung, Taylorisierung und die Filmwirtschaft

Die Umstrukturierung der Filmindustrie hatte bereits vor der Tonfilmeinführung begonnen. Unter dem Aspekt der Modernisierung stellt die Einführung des Tons nur ein Element in einem Umwälzungsprozeß dar, bei dem die technische Innovation erst zusammen mit der Straffung der Organisations- und Produktionsformen und dem Willen zur Vereinheitlichung der Rezeption den Rahmen schafft, in denen das Phänomen Musikfilm entstehen und sich entfalten kann.
Der Einfluß US-amerikanischer Methoden und die Internationalisierung ab Mitte der 20er Jahre kann hierbei kaum unterschätzt werden. Zahlreiche Filmschaffende hatten zwischenzeitlich in Hollywood gearbeitet und brachten zu Beginn der 30er Jahre ihre dort gesammelten Erfahrungen in Deutschland ein, u.a. Erich Pommer, Ludwig Berger, E. A. Dupont, Friedrich Zelnik, Paul Kohner, Conrad Veidt, Pola Negri, Emil Jannings. Andere waren im Laufe der 20er Jahre nach Hollywood gereist, um dort das Produktionsgeschehen zu beobachten und daraus zu lernen wie Fritz Lang, Ernst Hugo Correll oder Ludwig Klitzsch. Nicht vergessen werden darf der beträchtliche Produktionsumfang der US-Studios in Europa: Universal, Fox und Warner in Berlin, Paramount in Paris, während M-G-M in Hollywood von deutschen Kräften deutsche Versionen produzieren ließ. Der Einfluß von Hollywood-Produktionsmethoden war gerade Anfang der 30er Jahre bei der Ufa und der neugegründeten Tobis ernorm.9
Das in Hollywood seit Mitte der 10er Jahre praktizierte System des Zentral-Produzenten, der die Arbeit überwacht und an untergeordnete Produzenten delegiert - das sogenannte »central producer system«10 - wurde bei der Ufa 1927 mit dem Engagement Corrells als oberster Studiochef eingeführt und erst mit der Fertigstellung des Tonkreuzes im Herbst 1929 endgültig durchgesetzt.11 Wurden zuvor viele Filme als Auftragsproduktionen an außenstehende Firmen vergeben, ohne direkte Einsicht in den Stand der Produktion und Möglichkeiten zum Eingreifen zu besitzen, holte Correll die meisten Produktionen ins Haus zurück.12 Diese - im Sinne einer kapitalistischen Produktionsökonomie - effizienteren Methoden zielten auf eine Rationalisierung und disziplinierten den einzelnen Regisseur. Der zentrale Produzent überwachte nunmehr Drehpläne, tägliche Fortschritte und Kapitalaufwendungen, um bei seiner Meinung nach unnötigen Verzögerungen oder Ausgaben mit der Autorität zum Eingreifen ausgestattet zu sein. Das Machtgleichgewicht verschob sich vom Regisseur, der in den 20er Jahren meist recht unabhängig arbeiten konnte, zum Studiochef, und die künstlerische Regie-Freiheit hing nun zum großen Teil vom Gutwillen des zentralen Produzenten ab, der wiederum dem Konzernchef (bei der Ufa Klitzsch) Rechenschaft über den finanziellen Gewinn oder Verlust einzelner Projekte schuldig war.
Der eigentliche Einschnitt in der Produktionsmethode der Ufa (Ende der 20er Jahre der unangefochtene Schrittmacher der deutschen Produktion) fand also zwischen 1927 und 1930 statt.13 Auch Pommers Rolle war nach seiner Rückkehr aus den USA eine andere: Er hatte in Hollywood den damaligen Produktionsstil kennengelernt und wendete ihn nun konsequent an.14 Durch diese betriebswirtschaftliche Kontrolle war nun ein Rahmen geschaffen, der zwar Extravaganzen wie Langs Metropolis unmöglich machte, jedoch Experimenten gegenüber aufgeschlossen blieb - solange sie kostengünstig produziert wurden und ihr Geld wieder einspielten. So ließen sich innerhalb dieser Bedingungen, als der Tonfilm nach Deutschland kam, erhebliche Freiräume nutzen. Jetzt hatte auch die Stunde der Genre-Techniker und Regie-Handwerker geschlagen, die in den 20er Jahren gelernt hatten, routiniert ein Publikum zu unterhalten, und nun aus ihrem Genrefundus schöpften, um Elemente neu zusammen zu basteln. Hans Steinhoff und Richard Eichberg, deren Karrieren und Charakteristika Horst Claus und Michael Wedel vorstellen, sind zwei auffällige Beispiele für diese Regisseurs-Gruppe.
Bei der Vorführung von Stummfilmen hat es bis zuletzt ein erhebliches Inszenierungs-Gefälle gegeben: Zwischen der Bühnen-Show in einem der monumentalen, urbanen Filmpaläste und den Vorführungen in Nachspielhäusern der Vororte und Provinz bestanden gewaltige Unterschiede in Musikbegleitung, Bühnenprogramm und allen Rahmenbedingungen, die den Charakter der Vorführungen entscheidend prägen. Mit dem Tonfilm fiel die Kontrolle über alle auralen Merkmale der Kinovorstellung den Produzenten zu, die zuvor lediglich das Bild kontrolliert hatten. Bot der Stummfilm anfangs noch mit seinen einzeln kombinierbaren Elementen, in der Zusammenstellung eines abendfüllenden Programms und schließlich mit der Tonbegleitung und der Bühnenshow eine ganze Reihe Variablen, die der Kinobesitzer je nach Anspruch, Publikum und lokalen Besonderheiten füllen konnte, so waren nun Produzenten und Verleiher diejenigen, die die Rezeptionshaltung des Publikums bestimmten, indem sie eine komplette Ware auslieferten, an der Veränderungen nur noch schwer vorzunehmen waren. Die Filmgeschichte bis 1930 kann auch gelesen werden als langsame Machtübergabe von den Kinobesitzern an die Produzenten, die einhergeht mit der Umformung eines kollektiv rezipierenden Publikums in individuelle Zuschauer - dieser Wandel findet auch auf der Ebene des Filmstils statt, der zunehmend eine exklusive Beziehung zwischen dem einzelnen Zuschauer und dem Filmgeschehen einfordert, wie in der Verformung des dreidimensionalen Kinoraums in einen filmischen Raum auf der zweidimensionalen Leinwand. Und für den Film gilt: Aus einem lokal zu vervollständigendem Halbfertigprodukt war nun ein überregional einheitliches Fertigprodukt geworden.15
Gegen den Tonfilm ist schließlich auch ins Feld geführt worden, er habe die Internationalisierung - und damit letztlich die Hollywoodisierung - des Films vorangetrieben. Karel Dibbets hat gezeigt, daß dieser Vorwurf nur bedingt richtig ist: Zu einem einheitlichen, von Hollywood beherrschten internationalen Filmmarkt (und damit zu einer Universalisierung von Themen und Darbietungsformen) kommt es erst nach der Einführung eines Standardverfahrens zur Synchronisation.16 In einer ersten Phase bewirkt die Einführung des Tons das genaue Gegenteil: Der Ton untergräbt Hollywoods internationale Führungsposition und verschiebt in Europa die Gewichte.17 Der Tonfilm befördert durch Sprache geschützte nationale Filmindustrien und führt zu den für diese Phase charakteristischen Mehrsprachenversionen, die nicht nur ein technisches Vehikel darstellen, sondern massive Auswirkungen auf Stoffwahl und Themenbehandlung haben.18 In diesem Prozeß werden einige kleinere Märkte zerstört und andere verlieren den Anschluß - insgesamt aber materialisiert sich insbesondere in den Mehrsprachenversionen der von Pommer seit Mitte der 20er Jahre propagierte Gedanke eines Film-Europa.19 Es entsteht eine Praxis, die durch den freien Verkehr von Personal, Stoffen und Techniken Kontakte und Produktionszusammenhänge schafft, die gerade für die ersten Jahre nach der Machtübergabe an die Nazis wichtig werden. Francesco Bono und Brigitte Mayr zeichnen die Ansätze eines Euro-Films nach, der nicht 1933 aufhört und nicht problemlos unter dem Etikett »Exil-Film« verbucht werden kann - ebenso stellt Hans-Joachim Schlegel die sowjetische Musikfilmproduktion in einen weiteren Zusammenhang, der Politik wie Avantgarde beinhaltet.

Love On Wheels: Alltagsleben, Freizeit und Konsumkultur

In Das Cabinet des Dr. Larifari (1930) übernimmt der Regisseur, nachdem er den Tonmann im Zorn entlassen hat, kurzerhand die Technik und bringt diese zum völligen Zusammenbruch. Der Ton fällt aus, die Kamera fährt zurück und gibt den Blick auf die hilflose Crew frei, dann versagt auch das Bild - damit endet der Film bis auf einen kurzen Epilog. Schon im August 1930, als der Film Premiere hatte - seit den ersten Tonfilmpremieren in Deutschland war noch kein Jahr vergangen - war das neue Medium bereits reif für eine Persiflage. In einer Reihe von Nummern, die an die Formate heutiger TV-Comedy-Shows erinnern, zusammengehalten durch eine Rahmenhandlung, die die Goldgräberstimmung angesichts des neuen Mediums Tonfilm persifliert, werden Säulenheilige der deutschen Filmkultur wie Emil Jannings aufs Korn genommen. Was Thomas Schatz über die Entwicklung von Genres zu immer größerer Selbstbezüglichkeit gesagt hat - »its transparency gradually gives way to opacity: we no longer look through the form [...] we look at the form itself to examine and appreciate its structure and its cultural appeal«20 - gilt für den Musikfilm der 30er Jahre von Anfang an.
Die Komik dieser Filme, ihre Selbstreflexivität, ihr spielerischer Umgang mit Realität und Fiktion, mit gesellschaftlichen Konventionen und traditionellen Geschlechterrollen - von Donata Koch-Haag vorgestellt - kann nur funktionieren, wenn es ein Publikum gibt, das diese Andeutungen versteht, das solche Ausflüge in Wunsch- und Parallelwelten nachvollziehen kann und mit ihnen umzugehen weiß. Es will scheinen, als habe es ein solches Publikum gegeben - massenhaft.
Gleichzeitig mit der technologischen Modernisierung vollzieht sich seit Mitte der 20er Jahre auch in Deutschland die Umformung von einem in E- und U-Produkte geteilten Markt in einen einheitlichen Popularkultur-Markt, der sich auch in der zunehmenden Bedeutung der vom Kabarett kommenden Komponisten äußert, die Marie-Luise Bolte vorstellt. Kurioserweise ist es Kracauer, der diesen Wandel früh bemerkt - er spricht bereits 1926 von einem »homogenen Weltstadt-Publikum Berlins, das vom Bankdirektor bis zum Handlungsgehilfen, von der Diva bis zur Stenotypistin eines Sinnes ist«.21 Anders als in anderen westlichen Ländern ist in Deutschland das Leitmedium Kino an diesem Prozeß zunächst nur marginal beteiligt. Die Gründe dafür liegen - ein weiteres Mal - in der Verspätung der deutschen Filmindustrie. Hier hatte sich - auch noch, als der Ruf des Stummfilms als innovatives Avantgarde-Kino auf anderen Märkten bereits zu bröckeln begann - ein Faible für das Kunst- und Autoren-Kino sogar im Herzen der Industrie festgesetzt.
Und während Filmindustrie und Kunstkritik in Deutschland immer noch strikt zwischen Autoren- und Publikumsfilmen unterschieden, hatte sich jenseits des Films bereits ein Massenpublikum gebildet, dem der Streit um Kunst und Kommerz egal war - nicht zuletzt deshalb, weil es sehr wohl zwischen Fiktion und Wirklichkeit unterscheiden konnte, ein Publikum, das das »Ich weiß es, aber gleichwohl...« längst verinnerlicht hatte.22
Während die Theoretiker immer noch (und durchaus schon im Adornoschen Sinne avant la Kulturindustrie) an die grenzenlose Manipulierbarkeit des Publikums glaubten - zum Guten (wenn es um einen aufklärerischen, gesellschaftskritischen Avantgarde-Film geht) wie zum Schlechten (wenn »die Anderen« ein Kitschding auf den Markt werfen) - hatte sich längst ein Publikum herausgebildet, das sich nicht einschüchtern oder agitieren ließ, sondern sich aus den Populartexten nahm, was es brauchte. Es ergibt sich die paradoxe Situation, daß es ein Publikum gibt, das kompetent mit Popularkulturformen umzugehen weiß - und daneben Kritiker, die noch nicht begriffen haben, daß Popularkultur nicht eine gegebene Realität reflektiert, sondern in einem Prozeß der Modernisierung Teil hat an der Schaffung dieser Realität. Die publizistische René Clair-Rezeption, die Jeanpaul Goergen dokumentiert, bietet ein gutes Beispiel für das eingeschränkte Wahrnehmungsvermögen und die Unsicherheit der professionellen Kritik.23
Love On Wheels (1932) ist ein kleiner britischer Musikfilm, der seine (eher dürftige) Handlung mit großer Unbekümmertheit in die Konsumkulisse der verschiedenen Abteilungen eines Warenhauses verlegt. Wenn hier zwischen all den »schönen, guten Produkten« Leute unvermittelt in Gesang ausbrechen und dabei kleine Choreografien aufführen, so hat das wenig mit Operette und Musical zu tun. Wenn man bedenkt, daß fast alle der heute noch bekannten frühen Musikfilme Schlager enthalten, die sich unabhängig vom Film millionenfach verkauft haben,24 und wenn man die Gesangsnummern wie Musikvideos liest, die zusammen mit einer Reihe von augenzwinkernden »Werbespots«25 zu einer bittersüß-melodramatischen Welt des schönen Scheins collagiert werden, dann wird plötzlich greifbar, was es mit den (auch in diesem Band) zahlreichen Vergleichen des Weimarer Musikfilms mit der Operette auf sich hat: Es geht nicht um die notorische Operettenseligkeit; es geht um das Operettenhafte - das Scheinhafte, die Vorläufigkeit und Doppelbödigkeit eines Lebensgefühls, das sich mit der Lust zum Konsumismus zu einer völlig neuartigen Amüsier- und Freizeitkultur verbindet.26 Es ist das Lebensgefühl von Menschen, die nicht auf der Sinn-, sondern auf der Glückssuche sind.27 »Hier klafft kein Abgrund, in dem der Verstand versinkt«, hatte Karl Kraus schon 1910 über das Operettenhafte geschrieben und wohlwollend von »verantwortungsloser Heiterkeit« gesprochen. Aber auch von der Ahnung »unserer realen Verkehrtheiten« in all dieser Unübersichtlichkeit.28
Wo soll das alles enden?

Wunschkonzert

Wunschkonzert - 1940 entstanden - kann weder zu den Überläuferfilmen aus der Weimarer Republik noch zum ästhetischen Widerstand gerechnet werden. Im Gegenteil: Der Film gibt einen klassischen Moment der nationalsozialistischen Propaganda ab. Doch indem sich Wunschkonzert noch einmal seiner Herkunft vergewissert, verdeutlicht er die fortdauernde Faszination einer Epoche, die wir mit diesem Buch der Re-Vision und (Wieder-)Entdeckung anempfehlen möchten. Der Film zitiert und variiert Topoi, Strukturen und Motive des frühen Tonfilms, um diese schließlich umso kräftiger umzubiegen.29 Von der Klangöffentlichkeit bis zur Starparade, von der großstädtischen Vergnügungskultur zur Erschaffung einer imaginären Gemeinschaft durch Musik 30 schimmern Dynamik und Muster der frühen Tonfilmjahre durch, die sich als ebenso richtungsweisend wie ideologisch offen erweisen. Jede Weltanschauung, vom Konsumkapitalismus über Nazi-Ideologie bis zum Kommunismus, läßt sich auf dieses Gerüst aufziehen. Diese politische Biegsamkeit macht bestimmte Formeln so erfolgreich und durchdringend.
Genausowenig wie das Weimarer Kino - wenn diese semantische Verkürzung für das Kino in der Zeit der Weimarer Republik überhaupt zulässig ist, impliziert der Begriff doch einen wie auch immer gearteten Zusammenhang zwischen politischem System und Filmschaffen - auf seinen vermeintlichen Schlußpunkt 1933 hin gelesen werden darf, sollte man das Nazi-Kino (eine gleichartige sprachliche Chiffre) von vorneherein als völlig abgetrennte Epoche betrachten. Fast alle Schlüsselfiguren 31 des deutschen Films 1933-45 lernten ihr Handwerk in den Jahren bis 1933 - ob Regisseure wie Harlan, Steinhoff, Ritter oder Ucicky, Kameraleute wie Baberske, Anders oder Mondi, Musiker wie Borgmann oder Zeller. Nicht zufällig wirkte der Regisseur von Wunschkonzert, Eduard von Borsody, Ende der 20er Jahre bei drei Filmen Ernö Metzners als Kameramann mit, die alle die Dynamik und Faszination der Großstadt visuell umsetzen: der von der SPD finanzierte Im Anfang war das Wort, der »deutsche Russenfilm« Freie Fahrt und der experimentelle Überfall.32 Hier lernte Borsody, der nicht nur Kameramann, sondern auch Cutter war, die Dynamik der Stadt in Bilder und Rhythmus zu fassen. Ruttmanns zeitgleich entstandene Berlin-Sinfonie wählt nicht zufällig eine musikalische Metapher - keine Großstadt-Erzählung oder -Skulptur, die Großstadt kann nur qua Rhythmus und musikalischer Motivtechnik erzählt werden. Musik, Geräusche, städtische Bewegung und Filmschnitt bilden eine unauflösbare Einheit in der Modernisierung der (urbanen) Alltagswelt.
Und Wunschkonzert stellt zu Beginn die moderne Stadt als heterogenen musikalischen Ort dar, bevor im Krieg die Verschiebung zu einer homogenisierten musikalischen Volksgemeinschaft erfolgt. Die von Brian Currid in diesem Band am Beispiel der frühen Musiktonfilme diagnostizierte »Klangöffentlichkeit« erhält hier ihre nationalsozialistische Wende. Der Beginn im Olympia-Berlin des Jahres 1936 bringt den Fliegerleutnant Herbert Koch (Carl Raddatz) und die junge Inge Wagner (Ilse Werner) zusammen, besiegelt wird ihr Schicksalsbund durch die Ankunft des Führers und die Olympiafanfare, die zum Leitmotiv des Paares wird. Eingebettet in das dem Eröffnungsspektakel beiwohnende Publikum gehen beide in der Volksmasse auf, während über den Lautsprecher die einmarschierenden Mannschaften bejubelt werden. Später werden die in den Krieg marschierenden Truppen ganz ähnlich gefeiert. Eine Reihe solcher Variationen (»repetition with a difference« im strukturalistischen Duktus) kennzeichnen die sich entwickelnde Romanze: Die sonntägliche Wannsee-Segeltour des verliebten Paares wird im Krieg als Rettungsaktion des über der See abgestürzten Fliegers variiert, das mondäne Nachtlokal mutiert zum operettenhaften Infanterieunterstand. Aus Spaß wird Ernst oder »Dienst ist Dienst«, so könnte man das Leitmotiv des Films umschreiben.33 Das Zurückgreifen auf Wiederholungen, Variationen und Refrains straft die scheinbare Offenheit und Zerrissenheit des Films Lügen, die, von Interpreten häufig zitiert, nur auf der Oberfläche des Materials existiert und auf einer Strukturebene durch Symmetrien und Reime durchstrukturiert ist.
Linda Schulte-Sasse hat den Prolog 1936 als »a dream which the rest of the film will work toward reliving«34 bezeichnet, und dieser Traum ist die großstädtische Unterhaltungs- und Freizeitkultur wie sie beispielsweise in Menschen am Sonntag dargestellt wird. Koch muß sich am Ende dieses Prologs in den Krieg verabschieden - wie vor ihm Quex in einem Film, der ebenfalls in seinen filmischen Mitteln den Übergang von der Weimarer Republik zum Dritten Reich explizit thematisiert. Quex wird in der Sequenz am See vor die Wahl zwischen dem anarchisch-vergnügungssüchtigen und sexuell promisken Jungkommunisten und den sadomasochistisch im Mondlicht exerzierenden HJ-Scharen gestellt, während Koch für das Wohl seines Volkes seiner Liebe entsagen muß. Beider Entscheidungen sind aus einer heutigen Warte nur schwer nachvollziehbar, und beide Filme haben Schwierigkeiten, die Folgen dieser märtyrerhaften Entscheidungen narrativ einzugrenzen und zu begründen. In Hitlerjunge Quex kann nur der Opfertod und postume Märtyrerstatus das Versprechen auf sofortige Triebbefriedigung rechtfertigen, während in Wunschkonzert schon eine ganze Nation von Radiohörern und 100 Filmminuten (die drei elliptisch ausgeblendete Jahre beinhalten) benötigt, um die Selbstaufopferung verständlich zu machen. Das Echo der von den Nazis verunglimpften »Systemzeit« war selbst 1940 noch deutlich zu vernehmen; zu seiner Bewältigung bedurfte es der unheiligen Allianz von Film und Weltkrieg.
Das Radio wird zum Fetisch und zur Nabelschnur: Ohne Radio ist der einzelne Deutsche - nunmehr werden keine Konsumenten mehr gebraucht, sondern »Volksgenossen« - verloren, nur die Rundfunkübertragung vermag das Inviduum in ein sinnvolles Ganzes einzupassen. Genügte es Anfang der 30er Jahre noch zu konsumieren - die Ware stand der freien Wahl offen -, mußte man nun das anscheinend einzige Radioprogramm empfangen: das Wunschkonzert. Dabei wird die einstige Heterogenität der Konsumgüter zu einem einzigen Produkt homogenisiert: dem Wunschkonzert. Auf die Ouvertüre aus »Die Hochzeit des Figaro« folgt Weiß-Ferdls bajuwarischer, anti-intellektueller Schenkel-Humor, Rühmann, Brausewetter und Sieber singen »Das kann doch einen Seemann nicht erschüttern«, Marika Rökk gibt »Eine Nacht im Mai« zum besten, eine Mutter ertrinkt im kitschigen Schmerz um ihren Sohn. Was früher mit selbstreflexiven Varianten in verschiedenen Programmen lief, findet hier eine bluternste Synthese, die nur der Krieg herzustellen vermag.
Der Gleichschritt zwischen Film, Staat und Kritikern war gefunden, und auch wenn diese breite Landstraße nicht die Arnheimsche war, wurde die ruhige und störungsfreie - aber auch langweilige und überraschungsarme - Fahrt wiederentdeckt. Doch von den vielen Nebenstraßen und Tankstellen, denen man auf dem Weg hierhin begegnet, haben wir erst wenige besucht und erkundet.

  1. Rudolf Arnheim: Die traurige Zukunft des Films. In: Die Weltbühne, Nr. 37, 9.9.1930, S. 402-404; zit. nach Rudolf Arnheim: Kritiken und Aufsätze zum Film. (Hg. von Helmut H. Diederichs). Frankfurt/M.: Fischer 1979, S. 17-19; hier S. 17. -
  2. Willy Haas, in all seiner ungeordneten Assoziationshaftigkeit, gehört zu den wenigen Autoren, die ein Sensorium für die Zeitstimmung besaßen: Siehe die Textsammlung Der Kritiker als Mitproduzent. Texte zum Film 1920-1933. Hg. von Wolfgang Jacobsen, Karl Prümm, Benno Wenz. Berlin: Hentrich 1991. Der »Haas-Enkel« Horst Königstein, der ein ebensolches Zeitgespür besitzt, eröffnet seinen Beitrag in diesem Band nicht zufällig mit einem Haas-Zitat. -
  3. Siegfried Kracauer: From Caligari to Hitler. A Psychological History of the German Film. Princeton, NJ: Princeton University Press 1947, S. 205. -
  4. Arnheim, a.a.O., S. 18. -
  5. Dieses Argumentationsmuster ist auch heute noch weitverbreitet. So sieht Helmut Korte in Der Spielfilm und das Ende der Weimarer Republik. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1998 einen mittelbaren Zusammenhang zwischen den Filmen und dem aufkommenden Faschismus und kommt »zu einer weitgehend übereinstimmenden Einschätzung der Funktion des deutschen Films in dieser historischen Phase« wie Kracauer. -
  6. Siehe Harald Jossé: Die Entstehung des Tonfilms. Beitrag zu einer faktenorientierten Mediengeschichtsschreibung. Freiburg/München: Alber 1984 und Wolfgang Mühl-Benninghaus: Das Ringen um den Tonfilm. Strategien der Elektro- und der Filmindustrie in den 20er und 30er Jahren. Düsseldorf: Droste 1998. -
  7. Die Verformelung und Verfestigung in Genres findet dann ab 1933 statt; allerdings nicht schlagartig, sondern als langsame Entwicklung über das gesamte Jahrzehnt. Siehe Klaus Kreimeier: Von Henny Porten zu Zarah Leander. Filmgenres und Genrefilm in der Weimarer Republik und im Nationalsozialismus. In: montage/av, Nr. 3/2, 1994, S. 41-53. -
  8. Vor allem Tom Gunning hat diese These vehement vertreten und durchgesetzt; siehe u.a. seine Aufsätze in Thomas Elsaesser (Hg.): Early Cinema. Space, Frame, Narrative. London: BFI 1990. -
  9. Thomas Saunders zeichnet in Hollywood in Berlin. American Cinema and Weimar Germany. Berkeley, CA: University of California Press 1994 zahlreiche Entwicklungs- und Verflechtungslinien zwischen den beiden wichtigsten Film-Metropolen der 20er Jahre nach. -
  10. Siehe David Bordwell, Janet Staiger, Kristin Thompson: The Classical Hollywood Cinema. Film Style & Mode of Production to 1960. London: Routledge 1985. Zum Central Producer System S. 128-141. -
  11. Von Hollywood abweichende Produktionsmethoden im Europa der 20er Jahre und ihre Implikationen für stilistische Alternativen zum Hollywood-System skizziert Kristin Thompson in »Early alternatives to the Hollywood mode of production. Implications for Europe's Avantgardes«. In: Film History, Nr. 5, S. 386-406. -
  12. Eine hervorragende Darstellung dieser Produktions-Taylorisierung gibt Axel Schildt: »Hugenberg ante portas. Rationalisierung mit nationalem Besen.« In: Hans-Michael Bock; Michael Töteberg (Hg.): Das Ufa-Buch. Frankfurt/M.: Zweitausendeins 1992, S. 190-195. -
  13. Die Produktionsgruppen der Nazizeit übernahmen das gleiche Organisationsprinzip, gaben den Beteiligten nur andere Namen. Für die Produktions-Organisation ist 1933 als Datum gänzlich unbedeutend. -
  14. Zahlreiche Beispiele in eigenen Äußerungen, die in Wolfgang Jacobsens Monografie aufgezeichnet sind, belegen diesen »neuen Pommer«: Erich Pommer. Ein Produzent macht Filmgeschichte. Berlin: Argon 1989. -
  15. Siehe Karel Dibbets: Sprekende films. De komst van de geluidsfilm in Nederland. Amsterdam: Cramwinckel 1993 und Rick Altman: »Die Geburt der klassischen Rezeption. Die Kampagne zur Standardisierung des Tons.« In: montage/av, Nr. 2, 1996, S. 3-22 (zuerst in Cinétheque, Nr. 6, 1994). -
  16. Karel Dibbets: Die Einführung des Tons. In: Geoffrey Nowell-Smith (Hg.): Geschichte des internationalen Films. Stuttgart/Weimar: Metzler 1998, S. 197-203, hier S. 200. -+
  17. Zwar ging die Produktion insgesamt zurück, doch auch die Anzahl der ausländischen Filme nahm ab. Siehe Klaus Kreimeier: Die Ufa-Story. Geschichte eines Filmkonzerns. München/Wien: Hanser 1992, S. 217f. -
  18. Damit werden auch neue Qualifikationen gefragt: Dialog-, Gag- und Songschreiber, und mit ihnen Stoffe aus gesellschaftlichen Milieus - die Offizierskasinokultur wird durch die Eintänzerkultur à la Wilder, Hollaender und Heymann ersetzt, die vorher im Film keine wesentliche Rolle gespielt haben - adieu, mein kleiner Gardeoffizier; welcome, private dancer. -
  19. Einen sehr guten Überblick über den Stand der Diskussion bieten Andrew Higson, Richard Maltby (Hg.): »Film-Europe« and »Film-America«. Cinema, Commerce and Cultural Exchange, 1920-1939. Exeter: University of Exeter Press 1999. -
  20. Thomas Schatz: Hollywood Genres: Formulas, Filmmaking, and the Studio System. New York: Random House 1981, S. 38. -
  21. Siegfried Kracauer: Kult der Zerstreuung. Über Berliner Lichtspielhäuser. In: Frankfurter Zeitung, Nr. 167, 4.3.1926; zit. nach S.K.: Das Ornament der Masse. Essays. Frankfurt/M.: Suhrkamp 1977, S. 311-317, hier S. 313. -
  22. Die klassische Szene der hier neu verhandelten Filme stammt aus Das Lied ist aus: Der Privatsekretär unterschreibt für seine Chefin Autogrammkarten. Plötzlich hält er inne, sieht auf das Foto des »echten« Stars mit dem gefälschten Autogramm - und steckt es ein. Die Aura des Stars wird durch den Umstand, daß er sie selbst hergestellt hat, nicht beeinträchtigt. -
  23. Das gilt auch für die von der Filmwissenschaft bevorzugt zitierten zeitgenössischen Quellen - Film-Kurier und Lichtbild-Bühne bilden in diesem Punkt leider keine Ausnahme. -
  24. Und zwar durch Notenverlage und Plattenfirmen, die sich die großen Filmfirmen im Zuge ihrer Vertikalisierung zugelegt hatten. -
  25. Es wimmelt in diesen Filmen von Tie-Ins und Product Placements: Autofirmen, Getränkenamen, Kosmetikartikel, Handelsketten - sie alle werden ebenso unverkrampft wie unverblümt genannt oder mit ihrem Logo ins Bild gesetzt. -
  26. 1928 erreicht die deutsche Wirtschaft wieder den Vorkriegsstand und damit die zweite Stelle aller Industrienationen der Welt. In den Freiräumen, die sich in dieser Stabilisierungsphase durch Arbeitszeitverkürzung ergeben, entwickelt sich die neue Vergnügungs- und Kulturindustrie. Es kommt zur Gleichzeitigkeit von industrieller Produktion und Massenkultur. -
  27. »Ich will endlich einmal wieder tun, was ich will. Ich will lachen, ich brauche Leben...«, propagiert die schöne, in wohlhabenden Verhältnissen lebende junge Ehefrau in Einbrecher (1930). »Sonst nichts?«, wirft der gesetzte Gatte ein. »Doch«, antwortet die von Lilian Harvey gespielte Ehefrau, »noch etwas: Glück.« Den konkreten politischen Hintergrund dieses Lebensgefühls verdeutlicht die doppelte Verabschiedung des kleinen Gardeoffiziers in Das Lied ist aus. -
  28. Das komplette Zitat findet sich bei Michael Wedel. -
  29. Einen ähnlichen Rückgriff hat Karsten Witte in Zusammenhang mit dem Film Nur nicht weich werden, Susanne! (1936) als »das Übergangsphänomen, sich mit rechter Hand linken Energien zu bedienen«, beschrieben: K.W.: Film im Nationalsozialismus. Blendung und Überblendung. In: Wolfgang Jacobsen, Anton Kaes, Hans-Helmut Prinzler (Hg.): Geschichte des deutschen Films. Stuttgart/Weimar: Metzler 1993, S. 126. -
  30. Eine Erschaffung einer imaginären Gemeinschaft durch Musik vollzieht sich beispielsweise in politisch diametral entgegengesetzten Filmen wie Kuhle Wampe und Hitlerjunge Quex, beides hybride Mischungen aus offener Propaganda, sozialem Problemfilm und Musikfilm. -
  31. Zumindest hinter der Kamera, bei den Schauspielern ist die Lage etwas anders. -
  32. Kreimeier geht soweit, den retrospektiven Ruhm Ruttmanns zugunsten von Metzners Film zurückzuweisen: »Zu einem singulären Fall im Kino der späten Weimarer Republik wurde vielmehr [...] Polizeibericht Überfall [...], der mit einer von keinem anderen Film erreichten oder auch nur angestrebten Nüchternheit ein alltägliches Straßenverbrechen in der Form eines kurzen Spielfilms als ›factum brutum‹ protokollierte.« In: Die Ufa-Story, a.a.o., S. 207. -
  33. »Wollen schon, aber...« heißt es bei Linda Schulte-Sasse: Entertaining the Third Reich. Illusions of Wholeness in Nazi Cinema. Durham, NC: Duke University Press 1996, S. 290. -
  34. ebd., S. 290.


Materialien zum gleichnamigen filmhistorischen Kongreß (1998)
Andere Bände der Reihe CineGraph Buch